Heloisa oder Die Vertreibung aus dem Paradies
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Rezension von Kurt Kreibohm, Berlin (30.08. 2018)
Wie schafft man es, einen historischen Stoff einer Zeit vor rund 800 Jahren literarisch so zuzubereiten, dass er spannend zu lesen ist? Das man ein Buch gar nicht mehr weglegen möchte, bevor man es ganz durch hat? Zumal es nicht nur um mittelalterliche Kirchen- und Philosophie-Geschichte geht, sondern auch um eine Liebesgeschichte, die durch ein brutales Verbrechen beendet werden sollte.
Maren Bohm ist es gelungen. Sie hat die Text- und Materialfülle an überliefertem Wissen von und über den Philosophen und Kirchenlehrer Abaelard und seine junge gelehrte Schülerin Heloisa in einem „philosophischen Roman“ verdichtet; dieser liest sich wie ein Drehbuch zu einem Krimi mit zwei Hauptdarstellern, die ihrer Zeit weit voraus waren und mit ihrer Klugheit, Autonomie und Gefühlswelt so gar nicht in das gängige Klischee vom „finsteren Mittelalter“ (der Begriff stammt aus der Zeit der Renaissance) passen.
Für alle, die mehr über die alltäglichen Lebensverhältnisse des zwölften Jahrhunderts in Frankreich erfahren möchten, über Kirchen und Klöster, Adel und Gesellschaft, Politik und die Anfänge einer Philosophie der Aufklärung mit der Hinterfragung der starren Traditionen, ist dies ein leicht zu lesendes, unterhaltsames und zugleich aufregendes Buch. Es versetzt uns in die Perspektive der Liebes – und Leidensgeschichte zweier Menschen, die in der Weltliteratur zu Leitbildern und Symbolfiguren einer unsterblichen großen Liebe wurden.
Maren Bohm hat die schriftlichen Hinterlassenschaften dieses später in Paris gemeinsam bestatteten Paares mit Einfühlung und Phantasie ergänzt. Man bekommt beim Lesen Lust, noch mehr über die beiden zu erfahren und sich ihre historische Epoche und ihre Bedeutung für den Geist Europas und die heutige Zeit intensiver anzuschauen.
Es ist ein Buch für Mittelalter-Fans, für Historiker, Frankreich- und Krimi-Liebhaber, für Philosophie- , Theologie- und Literatur-Interessierte. Aber zugleich und ganz besonders ist es ein sehr lebendiges Buch für alle feministisch Interessierten, die in Heloisa eine Frau entdecken werden, die mit ihrer Belesenheit, Klugheit, Sprachkunst, Autonomie und ihrem Kampf für das Recht auf die Gestaltung ihre Liebesbeziehung eine tief beeindruckende Persönlichkeit und Vorbild gewesen ist und bleibt.