Inklusion statt Sorgenkind
Produktbeschreibung
Als mich Anfang 1991 der erstmals nach dem Anschluss der DDR gewählte Personalrat um meine Bereitschaft ansprach, für die gesetzlich geforderte Wahl einer Schwerbehindertenvertretung zu kandidieren, ahnte ich nicht die Bedeutung und den Aufwand für dieses in der DDR unbekannte, weil nicht erforderliche Amt. Schon die Anwesenheitsliste der Wahlversammlung wies 278 schwerbehinderte Teilnehmer aus. Ich hatte also zu Beginn meiner Amtszeit von der Zuständigkeit für über 300 Schutzbefohlene auszugehen und mich zügig in die wichtigsten relevanten Bestimmungen des westdeutschen Gesetzesgefüges von Schwerbehinderten-, Renten-, Arbeits-, Tarif- und Sozialrecht einzuarbeiten, um in meinem Verantwortungsbereich die in Ostdeutschland auch die Schwerbehinderten hart treffenden Massenentlassungen nach besten Kräften abzuwehren. Erst bei dieser Aufgabe wurde mir bewusst, wie wenig selbstverständlich von nun an die Beschäftigung von Schwerbehinderten auch im »Beitrittsgebiet« geworden war. Jede abgewehrte Kündigung zählte nun als wichtiger Erfolg in einem Kampf, den ich bis dahin nicht kannte und ich mir im Falle der vom Schicksal Benachteiligten in diesem Ausmaß auch nicht vorstellen konnte. Nun waren die ostdeutschen Schwerbehinderten ebenfalls mit dem diskriminierenden Vorwurf »Sorgenkind« etikettiert, als welches sie auch das Fernsehen jeden Sonntagabend einsortierte. Auf diese Form von »Öffentlichkeit« hätten sie gewiss gern weiterhin verzichtet. Zur Entfaltung eines selbstbestimmten Lebens öffneten sich 1990 für die Schwerbehinderten mit dem gesellschaftlichen Systemwechsel zweifellos auch neue Lebensangebote und Gestaltungswege. Sie schufen manche bisher entbehrte Möglichkeiten, führten jedoch auch zu neuen Anpassungszwängen.
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