Gucken
Produktbeschreibung
Als Andreas Herzau am 6. Februar 2024 verstarb, verlor die deutsche Fotografiewelt einen ihrer engagiertesten und inspirierendsten Vertreter. Dabei war er ein Spätberufener, der erst mit 30 Jahren zur Fotografie fand. Begonnen hatte er mit einer Lehre als Schriftsetzer und arbeitete zunächst als Buchhersteller in einem renommierten Buchverlag. Dann folgte ein Wechsel in den Journalismus; für «Konkret» und die «Hamburger Rundschau» schrieb er Berichte und Reportagen; in diesem Kontext entdeckte er die Kamera als Arbeitsinstrument - zunächst als Ergänzung zum Text, dann als eigenständiges Erkenntnismedium. Von Anfang an ging es ihm nicht um den sensationellen 'Schuss', sondern darum, mit einer eigenen Bildsprache «zu zeigen, was ist». 1992 gehörte er zu den Mitbegründern der Fotografengruppe «Signum», deren Mitglieder sich als politische Dokumentaristen verstanden und unter hohem persönlichen Risiko aus Kriegs- und Krisengebieten berichteten. Ihr Fotoband «Flucht» (1997) ist ein bis heute verstörend aktuelles Zeugnis. In der Folge war Herzau für zahlreiche grosse Magazine tätig, darunter für den «Spiegel», den «Stern», die «Zeit» und andere. Sein Interesse ging aber über die unmittelbare Tagesaktualität hinaus, so dass er parallel an umfangreicheren Projekten zu arbeiten begann. Es entstand eine Reihe von Fotobüchern, für die Herzau einen gänzlich neuen Stil entwickelte. Die Bilder sind seitenfüllend und kontrastiv gegeneinander gesetzt, vermeiden alles Erzählerisch-Anekdotische, sondern konfrontieren gezielt mit Disparatem. Optische Störungen werden nicht um des 'schönen Bildes' willen ausgespart, sondern bewusst in Kauf genommen. In ihrer Direktheit sprechen die Aufnahmen eine Wahrhaftigkeit des Hinsehens aus, die das Medium Fotografie überraschend erneuert. In seinen Gesprächen mit Sebastian Lux blickt Andreas Herzau auf die Entwicklungen des Fotojournalismus seit den 1990er Jahren zurück, analysiert die Folgen des Medienwandels auf technischer und wirtschaftlicher Ebene, berichtet vom politischen Druck, dem die optischen Medien immer stärker ausgesetzt sind - bis hin zur Gefahr von 'Deep Fakes' durch die aufkommende KI. Zugleich aber betont er die neue kreative Freiheit, die der Fotografie in einer abgelichteten Welt zugewachsen ist - man muss nur unvoreingenommen um sich gucken.
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